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Notizen über unser Laientheater
Die Laienspielgruppe Zollenreute, eine der traditionsreichsten Dorfbühnen des Kreises Ravensburg, kann 2010 ein markantes Doppeljubiläum feiern: 60 Jahre Theatergruppe, davon 50 Jahre im 1960 erbauten „Hirsch“-Saal. Oberlehrer Theo Herrmann war von 1946 bis 1967 nicht nur als engagierter Dorfschullehrer in Esbach ein Glücksfall für die Gemeinde Zollenreute, sondern er hat auch das örtliche Vereinsleben entscheidend mitgeprägt. Auf seine Initiative geht die Gründung des Gesangvereins und des Zollenreuter Dorftheaters zurück, als er 1950 im Gasthof Rössle mit einer Handvoll Akteure die Theatergruppe aus der Wiege hob. Bis zum Alter von 74 Jahren führte er 33 Jahre lang Regie und hat dabei viele seiner ehemaligen Schüler wieder unter seine Fittiche genommen.
Bei diesem Theaterrückblick drängen sich zwangsläufig drei weitere Namen auf, die sich um das Zollenreuter Theater in besonderer Weise verdient gemacht haben. So hat Anton Köberle als Vorstand die Theatergruppe von den Anfängen bis zu seinem Tod im Jahr 1990 geleitet, Willi Flach war ein unvergesslicher Schauspieler und hat als Malermeister tolle Bühnenbilder geschaffen, Benedikt Mütz hat 30 Jahre lang die Akteure geschminkt und war durch sein handwerkliches Geschick für die Bühnenbearbeitung unersetzlich. Egal welches Theaterutensil gebraucht wurde, unser Bene hat alles mit viel Phantasie zusammengebastelt.
Obwohl man in der Vor- und Nachkriegszeit in den Gaststätten „Hirsch“ und „Rössle“ auf kleine Bühnen beschränkt war, wurden bereits damals große dramatische Volksstücke aufgeführt, wie beispielsweise „Das Drama in der Schmiede“, „Der Herrgottswinkel“ oder „Heimweh am Wolgastrand“. Leider sind aus damaliger Zeit nur noch wenige Unterlagen vorhanden.
Durch den Saalneubau im Vereinslokal „Hirsch“ nahm das Theater in Zollenreute einen enormen Aufschwung. Dies führte 1970 zur Gründung einer eigenständigen Theatergruppe. Zuvor waren zwar wechselweise die örtlichen Vereine -Männergesangverein, Schützenverein, Kriegerverein - die Veranstaltungsträger, die Spielgruppe setzte sich jedoch aus denselben Akteuren zusammen. Während vor 1960 nur in unregelmäßigen Abständen Aufführungen stattfanden, ist seitdem das Theaterspiel aus dem Zollenreuter Dorfleben nicht mehr wegzudenken. Lediglich im Jahre 1973 wurde wegen der damaligen Ölkrise eine einjährige Zwangspause eingelegt: die bereits begonnenen Proben wurden abgebrochen, da über die Weihnachts- und Neujahrszeit ein allgemeines Fahrverbot für private Zwecke drohte (wozu es dann allerdings nicht kam). Bis 1982 wurden vorrangig bekannte Volksstücke aufgeführt, ab 1983 fast ausnahmslos Lustspiele und Schwänke. 1985 trat unsere Laienspielgruppe dem „Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg e.V.“ bei.
Früher war es üblich, bei ernsten Stücken noch einen lustigen Einakter anzuhängen, so dass die Aufführungen meist bis gegen Mitternacht und länger andauerten. Da es damals den Service der Vorbestellungen und Platzreservierungen noch nicht gab und viele Plätze oft schon zwei Stunden vor Spielbeginn eingenommen wurden, war gutes „Sitzleder“ unbedingte Voraussetzung. Der Zuschauerraum war oft hoffnungslos überfüllt. Der Tagesrekord lag bei 312 Besuchern, bei heute 190 nummerierten Plätzen im mittlerweile erweiterten Hirsch-Saal ist dies unvorstellbar. Klar, dass viele Besucher im Flur standen oder irgendwo in einer Ecke auf einer leeren Kiste oder ähnlichem Platz fanden.
Von 1960 bis zur letzten Spielsaison 2009/10 waren 89 Laienspieler an den Theateraufführungen beteiligt. Diese verhältnismäßig hohe Zahl kommt dadurch zustande, da bei den früher gespielten Volksstücken wesentlich mehr Mitwirkende notwendig waren (z. B. 25 beim „Schinderhannes“ in der Spielsaison 1962/63!). Derzeit zählt die Laienspielgruppe Zollenreute 36 Mitglieder, ein Drittel hiervon ist schon über 20 Jahre dabei, davon sechs sogar seit 1960. Denn wer einmal die Theaterluft unserer Dorfbühne geschnuppert hatte, blieb ihr auch meist längere Zeit treu. Besonders erfreulich ist, dass in den letzten Jahren der Generationswechsel gelungen ist und vermehrt junge Spielkräfte zum Einsatz kommen. Zur Harmonie im Verein tragen auch die Zusammenkünfte außerhalb der Theatersaison bei, wie Ausflug, Maiwanderung, Grillfest, Radtour und Monatsstammtisch.
Zwangsläufig kann es in einem so langen Zeitraum nicht ausbleiben, dass gelegentlich auch „brenzlige“ Situationen zu meistern waren. Zurückblickend kann aber mit Genugtuung festgestellt werden, dass des öfteren gesundheitlich angeschlagene Spielkräfte tapfer bis zur letzten Vorstellung durchgehalten haben. Vergleichsweise harmlos nehmen sich dagegen „Versprecher“ aus, über die im Nachhinein oft herzlich gefeixt und gelacht wird. In besonderer Erinnerung bleibt ein „Blackout“ eines Spielers, der trotz lautem Soufflieren den Faden nicht mehr fand und mit dem berühmten „Götz-Zitat“ seinem Mitspieler auf der Bühne unmissverständlich zu verstehen gab: „….. mach Du weiter!“.
Aber leider wurden wir auch von ernsteren Zwischenfällen nicht verschont. Bei einem Feueralarm im Ort kurz vor Spielbeginn mußten mehrere Mitwirkende mit der Feuerwehr zum Einsatz ausrücken und die Vorstellung konnte erst mit erheblicher Verspätung beginnen. Ein andermal sorgte ein Mitwirkender für große Aufregung, als er mit seinem Geschäftswagen am Brenner vom Zoll aufgehalten wurde und nicht rechtzeitig zur abendlichen Vorstellung zurückkehren konnte. Es ist auch vorgekommen, dass jemand wegen eines Unfalls, einer Erkrankung oder eines Todesfalles im Familienkreis kurzfristig ersetzt werden musste, aber ein Ausfall wenige Stunden vor Aufführungsbeginn lässt sich bei einer Laienbühne nur schwerlich kompensieren. Für evtl. derartige Ausfälle können die Spielrollen nicht im Voraus wie bei Berufsbühnen doppelt besetzt werden. Die Regie ist schon heilfroh, wenn eine ausgeglichene Besetzung aller Spielrollen gewährleistet ist, denn der zeitliche Aufwand und der erforderliche Einsatz für etwa 25 Proben und 13 Spieltage von Oktober bis Januar sind doch immens. Leider lässt sich manchmal ein Mitwirken mit den beruflichen Belastungen nicht in Einklang bringen, besonders wenn in diesem Zeitraum Schulungskurse, Montageeinsätze, Tagungen usw. geplant sind. Zur Reduzierung der Aufführungstermine wurde uns öfters geraten, in die Stadthalle Aulendorf auszuweichen, aber das kann und wird für uns kein Thema sein. Verschiedene Gründe sprechen dagegen, insbesonders ginge die für unser Theater typische Atmosphäre mit dem engen Kontakt zum Publikum verloren.
Gutes Theater ist getragen von Engagement, Liebe und Freude am Spiel. Das kann man nicht lernen, das muß man mitbringen. Theaterspiel bedeutet aber nicht nur Darstellung auf der Bühne zur Freude des Zuschauers, sondern auch viel Arbeit und Organisation im Hintergrund. So ist der gute Ruf des Zollenreuter Laientheaters auch den bewährten Kräften hinter den Kulissen zu verdanken. Die Arbeit der Regie beginnt schon lange vor der ersten Probe mit dem Aussuchen und Bearbeiten des neuen Stücks. Da aber das beste Theater ohne Publikum nichts wert ist, möchten wir uns besonders bei den zahlreichen langjährigen treuen Theaterbesuchern bedanken. Viele von ihnen haben sicherlich auch ein persönliches Jubiläum mit 25 und mehr Theaterbesuchen erreicht. Sie sind es in erster Linie, die für uns gleichermaßen Verpflichtung und Motivation zum Weitermachen sind. Zudem beweisen die alljährlichen Besucherzahlen, dass das Laientheater nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat. Im Gegenteil, der Besucherkreis dehnt sich zusehends in die weitere Umgebung aus. Nicht nur die ältere Generation erfreut sich an der volksnahen Bühne und der Ausdruckskraft der Spieler, die Jugend ist im gleichen Maße vertreten. Dieser Trend hat sich verstärkt, seit vorrangig Lustspiele und Schwänke auf dem Programm stehen.
Georg Steinhauser, 25.01.10